"Weltmeister" Geopolymer: Naturbeton aus dem Alterum als neuzeitliche Alternative im Umweltschutz- und Bausektor

Im Gespräch mit dem Chemiker Prof. Dr. Joseph Davidovits

Von THOMAS RÖTTCHER

Die These ist nicht neu: Die ägyptischen Pyramiden wurden mithilfe eines Steingussverfahrens erbaut (vgl. auch zeitgeist-Ausgabe 3-2000). Logistisch betrachtet, sicherlich plausibler als die Rampentheorie. Doch warum hat sich diese Sichtweise bis heute nicht als Lehrmeinung durchgesetzt? zeitgeist recherchierte und sprach mit dem Begründer der Idee, dem Chemiker Joseph Davidovits. Es stellte sich heraus, dass seine Erkenntnisse oft unvollständig oder verfälscht wiedergegeben werden: Da ist von „gebrannt“ statt „gegossen“ die Rede oder von einem „PR-Feldzug“, obwohl Davidovits selbst nicht Hersteller, sondern Erfinder ist. Kaum einer der Kritiker hat sich die Mühe gemacht, ihn persönlich zu befragen, und das, obwohl es ihm bereits vor 30 Jahren gelang, den „Naturbeton“ im Labor nachzubilden, er selbst nennt ihn „Geopolymer“ – ein nahezu unverwüstlicher Werkstoff, wie sich in der Anwendung zeigen sollte.

→ Artikelauszug: vollständiger Text in zeitgeist-Printausgabe 1-2006

zeitgeist: Herr Professor Davidovits, wie kamen Sie denn auf die fantastisch anmutende Idee, die Pyramiden könnten aus einer Art Naturbeton erbaut worden sein?

Joseph Davidovits: Alles begann im Labor – mit der Entwicklung geologischer Analoge, Materialien also, die natürlichem Gestein sehr ähneln. Wir gaben ihnen den Namen Geopolymere. Das war 1975. Eines Tages scherzte ich mit meinen Kollegen, was wohl geschehen würde, wenn man einige der Proben vergrübe und diese in 3.000 Jahren wiedergefunden würde. Geologen kämen doch nie und nimmer auf die Idee, den Fund als künstlich einzustufen! Und da wurde mir klar: Das könnte die Antwort auf eine der ganz großen Fragen der Archäologie sein. Ich müsste nur zeigen, dass die alten Ägypter in der Lage waren, die nötigen geochemischen Reaktionen in die Wege zu leiten. (...)

zeitgeist: Wie hat denn die ägyptische Regierung auf Ihre Erkenntnisse reagiert?

Davidovits: Sehr zurückhaltend – hauptsächlich aus Angst, dass es der Reisewirtschaft schaden könnte. Touristen wollen einfach das Märchen der 100.000 Sklaven aufgetischt bekommen. Und der Bevölkerung zeigt es, dass sie es heute besser hat als früher. Immer wenn ich den Direktor der ägyptischen Antikenverwaltung, Dr. Zahi Hawas, darauf anspreche, weicht er aus und meint, dass man noch abwarten müsse. Und das seit Jahrzehnten.

zeitgeist: Vielleicht könnte die Obrigkeit anbeißen, wenn die Vorteile des Geopolymer gegenüber anderen Werkstoffen bekannter würden. Können Sie den ZeitGeist-Lesern einige eindrückliche Anwendungsbereiche aus der Neuzeit nennen?

Davidovits: Einsatzmöglichkeiten des Geopolymer gibt es viele. Der Schumi z. B. ist Weltmeister mit uns seit 1995. In seinem Formel-I-Wagen ist stets ein Stück Geopolymer an Bord, und zwar als Verbundwerkstoff im Motorraum, weil das Material äußerst hitzestabil ist. Auch feuerfeste Türen enthalten Geopolymer, beispielsweise die in den französischen Atomkraftwerken. Und es ist die ideale Substanz zur Beseitigung von chemischem und radioaktivem Giftmüll und von Schwermetallen.

"Naturbeton", der Jahrtausende überdauert: Wunschtraum eines jeden Architekten und Albtraum der Bauwirtschaft (im Bild: Chefren-Pyramide in Gizeh/Ägypten)

zeitgeist: Giftmüllentsorgung?

Davidovits: Nach den DDR-Zeiten plante die Firma Wismut aus Chemnitz, damals drittgrößter Uranproduzent der Welt, nukleare Abfallstoffe auf molekularer Ebene in geopolymeren Zement einzubetten, um sie quasi durch Versteinern für alle Zeiten unschädlich zu machen. Unsere Forschungsarbeiten wurden auf europäischer Ebene subventioniert und das Laborergebnis war viel versprechend. Doch bei den geringen Mengen waren die Kosten zu hoch, sodass die Behörden einen Rückzieher machten und bei ihrem alten Verfahren blieben: der risikoreichen Einlagerung in Salzbergwerken. Alles wurde offen gelegt, doch nicht einmal die Grünen haben damals reagiert. (...)

zeitgeist: Was ist denn die entscheidende Schwierigkeit bei der Herstellung des Geopolymer? Die Zusammensetzung der verschiedenen Mineralien?

Davidovits: Nein, das Problem liegt woanders. Ein Beispiel: Nehmen wir ein härteres Gestein, z. B. Diorith. Wenn Sie das mit dem Hammer zerkleinern und einen Binder hinzusetzen, erhalten Sie herkömmlichen Beton, der Diorith enthält, aber nicht wieder ein Diorith! Man erkennt schon am Bindemittel, dass der Stein künstlich ist. Um aber ein Geopolymer herzustellen, benötigen Sie ein natürliches Vorkommen, das bereits verwittert ist. Dieses Gestein können Sie aufweichen und anschließend mit dem entsprechenden Know-how und den nötigen Beimischungen wieder verfestigen. Es wird dann noch immer über die Eigenschaften eines Natursteins verfügen.

Lesen Sie das gesamte Interview (geführt im Oktober 2004) mit brisanten Hintergrundinformationen in zeitgeist-Ausgabe 1-2006.


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