... und deshalb wähle ich wieder CDUCSUSPDFDPGRÜNELINKE!

Was uns so anfällig für Manipulation macht

Von HANS-ULRICH SCHACHTNER

Die Bundestagswahlen liegen hinter uns – und wieder ist der von viele erhoffte Wechsel hin zu Alternativen, hin zu einer ganz anderen Politik, ausgeblieben. Einmal mehr haben wir, die meisten zumindest, den Wahlversprechen Glauben geschenkt und wundern uns nun, dass sie erneut nicht eingehalten werden. Der Psychologe und zeitgeist-Autor Hans-Ulrich Schachtner analysiert in seinem Beitrag die hintergründigen Mechanismen, die uns zu einem derart paradoxen Verhalten verleiten und gibt uns das nötige Handwerkszeug, es in Zukunft anders tun zu können.

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In einem Sketch von Gerhard Polt lässt jener seine Figur zehn Minuten lang auf die Politik (der CSU) schimpfen. Wie sie das Volk für dumm verkaufte, sich grobe Schnitzer leistete und das Land verkommen ließe. Er steigert sich mehr und mehr hinein, bis das Ganze in der Forderung gipfelt: „Da muss man doch was machen, das kann man doch nicht so weitergehen lassen! Da gehört doch eine Revolution her, oder?!“ Sein Fazit lautet schließlich: „Und deshalb wähle ich wieder CSU!“

Scheinbar hat diese Satire damals nicht genügend Menschen erreicht, oder sie wurde nicht verstanden, denn heute – zwölf Jahre später – hat die Mehrzahl der Wähler diejenigen Parteien, welche uns an den Abgrund geführt haben, mit ihrer Stimme bestätigt.

Einerlei, ob CSU, CDU, SPD, FDP, GRÜNE oder LINKSPARTEI – wie kann es sein, wie kommt es nur, dass wir, wider besserer Erkenntnis, immer und immer auf dieselben Floskeln, Tricks und Werbeslogans hereinfallen, nicht nur in der Politik?

Zweifellos wird die Propaganda immer raffinierter, die Demagogie der Medien immer geschickter. Doch es liegt auch viel an uns, an der Anfälligkeit des Menschen für Verführung unterschiedlichster Art. Je mehr sich ein Mensch dieser bewusst wird, je besser er versteht, wie er selbst funktioniert, umso mehr ist er gefeit gegen jede Art von Manipulation.

Wenige Menschen nur kennen sich wirklich

Wenige Menschen nur kennen sich wirklich. Wir werden in dem Glauben aufgezogen, dass wir vernunftgeleitet seien. Wäre dem jedoch so, würden wir uns gesund ernähren, keine Süchte entwickeln, mehr Sport treiben, niemals fremdgehen, keine überflüssigen Käufe tätigen, generell bedachter handeln.

Doch der Kopf, bzw. der Intellekt, ist nur der „Diener“, der Zu-Arbeiter. Der wahre „Boss“ in uns ist unser Wollen, oder, wie Schopenhauer schon vor 150 Jahren deutlich machte: „Der Wille ist die treibende Kraft aller Veränderungen in der Welt.“

Wir erkennen unseren wahren Willen immer erst, nachdem Entscheidungen getroffen wurden. Der Wille zeigt sich in Willensregungen, sprich: Gefühlen. Jedes Gefühl ist eine Willensregung, der Ausdruck für ein Wollen. Ärger z. B. heißt nichts anderes als: „Ich will, dass es so läuft, wie ich das erwarte!“ Und Traurigkeit bedeutet: „Bleib da, geh nicht weg!“

Unser Wille (im Schopenhauerschen Sinne des Wortes) lebt stets im Hier und Jetzt und ist sehr leicht verführbar durch Einflüsse von außen. Wenn da nicht unser Intellekt wäre, der das „unvernünftige Kind“ in uns ständig zügeln würde, brächten wir uns ständig in Gefahr, lebten ungezügelt unsere Launen aus und würden uns nicht viel um die Rechte anderer scheren. Diese Zügelung lernen wir im Laufe der Sozialisation.

Aber statt diesen Drang zur Eroberung der Welt liebevoll in konstruktive Bahnen zu lenken, wurde er, bei den meisten von uns, durch Angst, Scham und Schuldgefühle blockiert. Das ist der wahre Grund, warum viele ihr Leben so freudlos und eingeengt erleben. Durch tausenderlei „Müssen“ und „Sollen“ ist das freudige „Wollen“ verschüttet worden. Also fährt man montags mit mürrischer Stimmung zur Arbeit und hat am Wochenende oft keinen Schwung mehr, etwas anderes zu tun als das Konsumieren passiver Unterhaltung.

Damit wurde die Basis geschaffen für einen leicht lenkbaren Menschen. Während der Mensch früher mit Gewalt unter ein Joch gezwungen werden musste, braucht man jetzt nur wesentlich unspektakulärere Maßnahmen, um ihn in Abhängigkeit, wie ehemals Leibeigene, zu halten:

  • Das durch die Medien vermittelte Gefühl, sowieso nichts ausrichten oder ändern zu können
  • Die Illusion eines Restes von Selbstbestimmung (z. B. durch Pseudo-Wahlen)
  • Ablenkung vom Wesentlichen durch Zerstreuung und Informationsflut
  • Einen winzigen Schimmer Hoffnung, doch noch dem Hamsterrad entkommen zu können
    (z. B. mittels Lotto und Gewinnspielen)

Für Menschen, die diesem Teufelskreis entkommen wollen, gilt es also, sich selbst erst einmal richtig verstehen zu lernen. Erst wenn transparent wird, an welcher Stelle Manipulation bei jemandem ansetzt, wird sich dieser dagegen verwahren können.

Manipulation läuft stets über Gefühle: Nur das, was uns (im Innern) bewegt, kann uns beeinflussen. Und was bewegt uns? Alles, was auf unseren Willen einwirkt, vor allem das, was sich um den Zensor des Intellekts herumschleicht und sozusagen unbemerkt „unter die Haut“ geht. Werbepsychologen tun nichts anderes als genau derartige Dinge zu (er-)finden.

Manipulation läuft stets über Gefühle: Nur das, was uns (im Innern) bewegt, kann uns beeinflussen

Die „Drei Achsen des Willens“ ist ein Schema, besser: ein Werkzeug, das ermöglicht, unerwünschte Manipulation aufzuspüren und bewusst zu machen.

Der Wille des Menschen hat drei Antriebe:

  • Die Lust-Unlust-Achse (Zu- bzw. Abneigung), d. h. alles, was man sich wünscht, alles Angenehme ist auf der einen Seite; alles Unangenehme, das, was man lieber vermeiden würde, liegt auf der anderen Seite dieser Achse. Das positive Extrem ist Gier und Sucht, auf der negativen Seite ist das Angst oder Ekel.
  • Die Status-Achse teilt sich auf in Hochstatus und Tiefstatus. In der Kommunikation gibt es immer einen, dessen Wille „gilt“ und dann die anderen, die sich diesem Willen unterordnen. Diese Über-Unter-Ordnung ist notwendig, weil sonst Chaos herrschen würde. Die subtilen Status-Signale sind in jeder Situation vorhanden und regeln den zwischenmenschlichen Verkehr (die Mehrzahl der älteren Menschen wurden in ihrer Kindheit auf Tiefstatus, sprich. Unterordnung, gedrillt).
  • Die Achse der Verantwortung bezeichnet das Maß, in welchem sich ein Mensch für etwas bzw. für andere verantwortlich fühlt (die Mutter für ihr Kind, der Chef für seine Leute, der Politiker für sein Land usw.). Die Skala reicht hier von totaler Verantwortungslosigkeit (asoziales Verhalten) bis zu Sich-ständig-schuldbeladen fühlen.
achsen des willens

Die drei Achsen des Willens: die „Motoren“ für das menschliche Handeln

Das Entscheidende: Der schützende Intellekt, das klare Denken, wird umso mehr eingetrübt, je mehr ein Mensch auf einer dieser Achsen ins Extrem gerät (oder dorthin manipuliert wird). Je mehr aber der Intellekt aussetzt, umso arbiträrer und unvernünftiger werden die Entscheidung dieses Menschen. Man kann ihn dann sogar dazu bringen, dass er Entscheidungen trifft, die seinen wahren Interessen vollkommen zuwider laufen.

Drei Achsen, jeweils zwei Extreme, das ergibt sechs Zustände, in denen der Mensch anfällig ist für Manipulation und Fehlentscheidungen:

1. Ködert man einen Menschen so sehr, dass bei ihm Gier wachgerufen wird, oder steigert man das bis zur Sucht, kann man ihn leicht lenken oder abhängig machen.

2. Ängstigt man einen Menschen, droht man ihm mit Schreckensszenarien, wird sein überlegtes Denken ausgeschaltet. Er wird dann unbesonnen handeln.

Das war die Lust-Unlust-Achse, die noch am leichtesten zu durchschauende Ebene von Manipulation.

3. Schmeichelt man einem Menschen, hebt man sein Selbst gefühl bis zu Eitelkeit und Selbstüberschätzung, wird er unüberlegt und lässt sich leicht übertölpeln.

4. Schüchtert man einen Menschen stark ein und behandelt ihn unwürdig, kann er nicht mehr klar denken, macht Fehler und wagt nicht mehr, seine Bedürfnisse durchzusetzen (z. B. bei Mobbing)

Auf dieser Achse, der Status-Achse, ist die Manipulation schon merklich perfider und gemeiner, weil sie, vor allem am Anfang, nicht ins Auge fällt.

5. Wiegt man einen Menschen in Sicherheit, gaukelt ihm vor, alles wäre zu seiner Zufriedenheit geregelt, er bräuchte sich um nichts zu kümmern, kann man ihn so einlullen, dass er seine „Firewall“ abschaltet und sich bis zur Hilflosigkeit ausliefert.

6. Bürdet man einem Menschen zu viel Verantwortung auf, macht man ihn für Dinge verantwortlich, über die er keine Kontrolle hat, oder beschuldigt man ihn grundlos, wird man ihm seine Ruhe rauben und seine Gesundheit schädigen.

Jeder Mensch kann manipuliert werden, am leichtesten auf seiner „Lieblings-Achse“

Ich möchte es dem Leser überlassen, für jeden dieser sechs Punkte Beispiele zu finden. Es gibt sie reichlich im Alltag, im Geschäftsleben und natürlich in der Politik.

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Die sechs "Klingelknöpfe": Jeder Mensch hat eine Präferenz, über welche er am leichtesten manipulierbar ist

Jeder Mensch kann manipuliert werden, am leichtesten auf seiner „Lieblings-Achse“. Damit ist derjenige Achsenarm gemeint, auf dem jemand besonders leicht zu triggern ist. Wenn sich z. B. jemand leicht ködern lässt, egal ob es vermeintliche Schnäppchen sind, das schnelle Geld oder sexuelle Verlockungen, liegt seine Anfälligkeit auf der ersten Achse am positiven Arm. Manche fühlen sich schnell bedroht, verfolgt oder abgestoßen. Das wäre die negative Seite der ersten Achse.

Auf der zweiten, positiven Achse ist man gefährdet, wenn man auf Schmeicheleien und Lobhudeleien anspricht, wenn man sich Ehrenämter aufhalsen lässt oder Statussymbole sammelt (wie etwa schicke Autos, Designerkleidung, Villen ...). Das Gegenteil wäre der Mensch, der sich einschüchtern lässt, niemandem zur Last fallen will oder sich unter Wert verkauft (der untere Teil der Status-Achse).

Auf der dritten Achse ist man gefährdet, wenn man gerne anderen die Verantwortung überlässt, sich am liebsten um nichts kümmern möchte, anderen blind vertraut und sich im übertriebenen „Positiven Denken“ übt (rosarote Brille). Das Gegenteil ist hier der Mensch, der sich ständig und für alles verantwortlich fühlt, übervolle ToDo-Listen führt, sich selbst überfordert und ausbeutet.

Oft merkt man nicht, wo die eigene Anfälligkeit liegt. Man braucht jedoch nur seinen Partner zu fragen oder ein paar Freunde – für andere ist es meist sehr leicht zu erkennen, wo die Schwächen liegen.

Unmanipulierbarkeit ist trainierbar

Unmanipulierbarkeit ist trainierbar. Ein Mensch, der erkannt hat, dass die Zusammenarbeit zwischen Kopf und Bauch nur gewährleistet ist, wenn er auf allen drei Achsen möglichst nahe an der Mitte bleibt, wird sich eine "innere Alarmglocke" einrichten. Sobald die "Erregung" auf einer der Achsen über 3 hinausgeht (auf einer Skala von 0 bis 10), schlägt sie an und warnt ihn. Auf diese Weise wird dieser Mensch in einen Zustand gelangen, in dem er äußerer Manipulation nicht mehr schutzlos ausgeliefert ist. Diesen Zustand nennt man Achtsamkeit und Besonnenheit.

Das Werkzeug dazu besitzen Sie jetzt.

 

LITERATUR: