Verstehen Sie sich selbst?

„Würden Sie sich einstellen?“ „Wie viel Erfolg brauchen Sie ganz persönlich?“ „Könnten Sie Ihren gegenwärtigen Lebenspartner weiterempfehlen?“ Fragen, die zum Nachdenken anregen und, stellt man sie in geselliger Runde, tatsächlich ziemlich indiskret sind. Schon im 19. Jahrhundert war dies ein beliebtes Gesellschaftsspiel in England. Rolf Dobelli greift mit seinem Buch Max Frischs „Fragebogen“ auf und passt ihn der heutigen Zeit an. Doch sollen sie nicht allein dem Amüsement unter Freunden, sondern durchaus zur diskreten Selbsterforschung dienen – vorausgesetzt, man will sich selbst gegenüber offen und ehrlich sein.

Angepasst an die heutige Zeit, bewegen sich die Themen rund um Leben und Handeln, um Sex, Ehe und Affären, Lügen, Gefühle, Erfolg und Karriere, Geld, Freunde, Glauben, Gott und Tod. Zu einigen Inhalten wäre für meinen Geschmack mehr geschlechtliche Neutralität angesagt. Hier drängt das männliche Ego stark in den Vordergrund: „Wie viele Stunden Konversation brauchen Sie imDurchschnitt, bis es zum Sex kommt?“ (Bereich Affären). Oder: „Wie viel Sex brauchen Sie, um sich bestätigt zu fühlen?“ (Bereich  Sex). Weder hätte sich mir einmal das Problem gestellt, noch habe ich eine Antwort parat.

Anders bei dieser Sache: „Ab welchem Betrag wird Geld für Sie uninteressant?“ Nach Kalkulation aller vorhandenen und unter Einbeziehung eventuell entstehender Wünsche, die ich selbstverständlich noch nicht kenne, komme ich auf geschätzte 7,4 Millionen Euro. Das führt mich zu dem Schluss: Ohne plötzlich eintretenden Lottogewinn werde ich mich wohl länger für Geld interessieren müssen!

Alles in allem: Es macht Spaß, in  Dobellis Buch zu blättern, intuitiv Themen aufzugreifen und persönliche Antworten darauf zu finden – genauso, diese Aufgaben herrlich dreist anderen zu stellen. Eins noch zum Mitnehmen: „Wie lähmend ist für Sie Selbsterkenntnis?“

Titel: Wer bin ich?
Untertitel: 777 indiskrete Fragen
Autor: Rolf Dobelli
Jahr: 2007
Verlag:
Diogenes
Genre: Sachbuch
Aufmachung:
143 Seiten, gebunden

→ Dieser Beitrag erschien in zeitgeist-Ausgabe 27 (2-2007).

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