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Alternativmedizin: Gesetzliche Krankenkassen künftig stärker unter Erstattungszwang?

Das Problem ist allzu bekannt: Bis auf wenige Ausnahmen sträuben sich die gesetzlichen Krankenkassen beharrlich, Behandlungskosten für Methoden außerhalb der Schulmedizin zu übernehmen – selbst wenn der Patient durch so genannte „alternative Verfahren“ Heilung, zumindest jedoch Linderung oder Besserung erfahren durfte. Einen Schritt in Richtung Gleichstellung von schulmedizinischen und alternativen Methoden geht nun eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Erst kürzlich urteilte es anhand eines Einzelfalls, dass gesetzliche Kassen bei lebensbedrohlichen Krankheiten die Erstattung von Leistungen für alternative Heilmethoden nicht ablehnen dürfen. Eingelegt hatte die Verfassungsbeschwerde ein heute 19-jähriger Mann, der an der Duchenne‘schen Muskeldystrophie (chronischer Muskelschwund) leidet, einer schwerwiegenden Erkrankung mit verkürzter Lebenserwartung, für die es bisher keine adäquate schulmedizinische Therapie gibt. Besserung erfuhr der Patient erst, als er von seinem Arzt mit „Bioresonanz“ behandelt wurde. Der Erfolg konnte von fachärztlicher Seite bestätigt werden; eine orthopädische Klinik empfahl aufgrund des günstigen Verlaufs sogar eine Fortsetzung der Therapie. Desungeachtet verweigerte seine Krankenkasse die Kostenerstattung. Unterstützung erhielt sie vomBundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, welcher die „Bioresonanztherapie“ mit der Begründung abgelehnt hatte, es handle sich dabei um „Mystik“. Kann das nun als ernst zu nehmendes Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung gelten? Die Verfassungsrichter sagen nein. Verfassungsrechtlich gibt es keine Gründe dafür, dass Versicherte nur Leistungen in Anspruch nehmen können, über die der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen positiv entschieden hat. Weiter heißt es in dem Entscheid, dass neben dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit auch das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit betroffen sei. Mit anderen Worten: Es ist verfassungswidrig, einen Einzelnen der Pflichtversicherung mit Zwangsbeiträgen zu unterwerfen, ihm aber anderseits, wenn er an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, für die es keine schulmedizinische Behandlungsmethode gibt, von Leistungen einer alternativen Behandlungsmethode auszuschließen. Inwieweit die Entscheidung des BVerfG verallgemeinert werden darf und für alle gesetzlichen Kassen bindend ist, bleibt offen.

(QUELLE: www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/rs20051206_lbvr034798)

→ Dieser Beitrag erschien in zeitgeist-Printausgabe 25 (2-2006).