Von CAPRA CHRISTINE SCHNEIDER und ULRIKE BIERMANN
Wir Menschen verhalten uns gerne so, als ob wir ewig lebten. Sterben müssen andere, nicht wir. Sollte uns dennoch der Strahl der Erkenntnis treffen, dass auch unser Leben irgendwann einmal zu Ende geht, versetzen wir dieses unvermeidbare Ereignis gedanklich gerne in allerfernste Zukunft. Doch diese Einstellung ist nur vordergründig sinnreich, denn sie verhindert, dass wir uns beizeiten mit dem Prozess des Sterbens und seinem finalen Resultat, dem Tod, beschäftigen. Wir verdrängen, was uns ängstigt, und verstärken dadurch unsere Angst nur noch mehr – bis hin zur Angst vor der Angst. Ein Teufelskreis.
Raben gelten häufig als Vorboten des Todes
Wie groß die Angst vor diesem Mysterium ist, hängt primär von unserer kulturellen, religiös-spirituellen Prägung respektive davon ab, welchen Sinn wir dem Tod geben. Ein Mensch, der an ein Leben nach dem Tode oder gar an Wiedergeburt glaubt, für den mag das Überschreiten der Todesschwelle die Geburt in ein neues Sein bedeuten. Ist er hingegen Atheist und der Überzeugung, dass sich mit dem Tod des physischen Körpers auch sein Ich, sprich die eigene Identität, in nichts auflöst, nimmt der Schnitter sicherlich bedrohlichere Ausmaße an.
Ungeachtet dessen scheint der Sterbeprozess ein weitaus größeres Schreckgespenst zu sein. Für viele sei er gleichbedeutend mit Hilflosigkeit, so Dorothea Mihm, die in ihrer 12-jährigen Erfahrung als Krankenschwester rund vier- bis fünfhundert Sterbende in den Tod begleitete: „In jedem von uns sitzt tief im Verborgenen eine Urangst vor dem Sterben. Tatsächlich geben viele Menschen als ihre größte Angst die vor dem Sterben, nicht die vor dem Tod an. Die Angst davor, auf dem Abstellgleis und in völliger Abhängigkeit von fremden Menschen zu sein, im eigenen Kot zu liegen, den Urin nicht mehr einhalten zu können – das ist für viele unerträglich.“
Um dennoch seine Würde wahren zu können, empfiehlt Mihm jedem Menschen, durch frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema Sterben sich seinen Ängsten zu stellen und auf dem Papier zu formulieren, was einem wichtig ist bzw. wie man sich sein Lebensende nicht wünscht. Mit der schriftlichen Fixierung übernehme der Einzelne Verantwortung, seine Angst verliere an Gewicht. Sie regt weiterhin an, diese Patientenverfügung von Zeit zu Zeit zu überarbeiten. Beantworten sollte man sich vor allem so grundsätzliche Fragen wie: Wo und wie möchte ich sterben? Welche medizinische Versorgung wünsche ich in welchen Fällen (Unfälle, Krankheiten etc.)? Möchte ich von Mitarbeitern professioneller Sterbehilfeorganisationen wie etwa Hospiz (www.hospiz.net) begleitet werden oder im Kreise meiner Lieben hinübertreten? Wer genau soll bei mir sein? (...)
Mehr dazu sowie eine Checkliste zur Sterbevorbereitung finden Sie in Ausgabe 2-2004.
LITERATUR: