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Voll schuldfähig

Von MAGNUS WOLF GÖLLER

1976 erschien im Auftrag von US-Präsident Carter die Studie GLOBAL 2000, die für das genannte Jahr absolute Horrorszenarien voraussagte, sollte man vom Wachstumskurs nicht sofort fundamental abkommen. Zumindest dieser Weltuntergang ist vorerst ausgeblieben, und seit er mir als gymnasialem Mittelstufenschüler so dringlich wie falsch geweissagt wurde, glaube ich in solcher Richtung rein gar nichts mehr. Damals hieß es nämlich auch, Deutschland würde binnen 20 bis 30 Jahren komplett entwaldet, eine entsetzliche Vorstellung für einen frühen Lagerfeuerromantiker wie mich. Zudem wurde – zumal nach den Rekordwintern Mitte der achtziger Jahre – eine nahende Eiszeit vorausgesagt. Bis jetzt. Sie lässt sich anscheinend erstmal Zeit.

Keineswegs will ich mit dieser einführenden Bemerkung Umweltzerstörung irgendeiner Art kleinreden; in China z. B. schwimmt kaum noch ein Fisch in den Flüssen, und die entsetzliche Atemluft in den meisten Metropolen, die gigantische Erosion von Böden stellen sicher keine Erfi ndung alarmistischer Medienvertreter dar. Fast überall in den tropischen Zonen der Erde wird hemmungslos abgeholzt, in Indien z. B. gehen abertausende Hektar fruchtbarster Böden durch Flächenversiegelung für Straßen, Industrie, Siedlungen verloren. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Beim Klimawandel ist und bleibt gleichwohl Skepsis angesagt; nicht dahingehend, dass sich das Klima ständig verändert, auch wohl kaum, dass es in den letzten hundert Jahren im planetaren Durchschnitt wärmer wurde, sondern was den menschlichen Einfl uss auf diese Entwicklung anbelangt. Viele Forscher nämlich sind der Ansicht (wenn sie sich noch zu äußern wagen), dass Erwärmung respektive Abkühlung der Erdatmosphäre wesentlich stärker von den jeweiligen Zyklen der Sonnenaktivität beeinflusst werden denn vom Anstieg der sogenannten Treibhausgase. Eher verhalte es sich umgekehrt: Erst eine Erwärmung triebe aufgrund der damit einhergehenden sinkenden Löslichkeit von Kohlendioxid im Meerwasser das Gas vermehrt in die Luft nach oben.

Man hängt den Ärmsten der Armen den Brotkorb wissentlich höher und erklärt das als „öko“

Auch erklärt uns keiner der Klimakatastropheten, woher die Warmphase im Hochmittelalter rührte, als bis nach Nordengland hinauf Weinbau betrieben wurde und, wenigstens in Europa, eine wirtschaftliche Blütezeit sich wie natürlich ergab. Danach folgte vom 15. bis zum 19. Jahrhundert die sogenannte „Kleine Eiszeit“: Die Themse fror regelmäßig zu, die Leute froren ebenfalls, und in weiten Teilen Europas reifte das Getreide oft nicht aus, Hungerwinter schlossen sich an.

Jetzt aber wird kurzerhand Regenwald abgeholzt, um Zuckerrohr zur Ethanol-Verspritung anzubauen, obwohl der Wald ohne Dünger, Energieeinsatz und Giftmittel von selbst je Jahr weitaus mehr Kohlendioxid durch sein Wachstum bindet. Entsprechendes gilt übrigens auch für Wälder in gemäßigten Zonen wie Mitteleuropa, wo es sinnvoller wäre, mehr Holz in die Öfen zu schieben als Biodiesel in den Autotank.

Noch offenkundiger irrsinnig wird der derzeitige Ansatz, wenn man bedenkt, dass Wald oft eben auch dort wächst, wo anständige landwirtschaftliche Erträge nur schwer zu erzielen sind. Der Spessart z. B. blieb nur deshalb Wald, weil Rüben, Getreide, Kohl, Kartoffeln hier nicht wirtschaftlich anzubauen waren. Wirklich „bio“ wäre folglich in weiten Teilen der Welt die massive Aufforstung. Richtig pervers wird diese Verspritung aber erst dadurch, dass statt Nahrungs- und Futtermitteln Spritpflanzen angebaut, Erstere damit künstlich und hochsubventioniert gewaltsam verknappt werden, sodass etwa die günstigsten Nudeln beim Discounter innerhalb eines halben Jahres von 29 Cent auf 55 Cent im Preis gestiegen sind. Besonders in den USA wird immer mehr Mais statt Weizen angebaut, in Brasilien Zuckerrohr statt Reis und Soja, in der EU Raps, in Indonesien Ölpalmen.

Hinzugekommen ist jetzt noch die Spekulation mit Reis-, Weizen- und Soja-„Futures“. Man hängt also kurzerhand den Ärmsten der Armen – gerade in der Dritten Welt – den Brotkorb wissentlich höher und erklärt das als „öko“. Da kann man nur noch sagen: ein Schelm, der Böses dabei denkt. Gleichzeitig dürfen Hartz-IV-Empfänger wie Rentner für ihr Heizöl hohe Steuern bezahlen, während Flugbenzin befreit bleibt. Bald wird der Bus zum Arbeitsamt teurer als ein Flug nach Rimini …

Wen nimmt es da wunder, dass Kritiker inzwischen als „Klimaleugner“ an den Pranger gestellt werden; man fragt sich schon, ob nicht ein Straftatbestand nach § 130 StGb (Volksverhetzung) vorliegt. In einer Art Ökofaschismus wird lautstark gefordert, seriöse Wissenschaftler, die den menschlichen Einfluss auf das Weltklima skeptisch sehen, auszuschließen, Gelder werden einseitig verteilt, und wer nicht mitspielt, muss um Ruf und Existenz bangen. So weit sind wir jetzt schon ...

Gründe, Energie zu sparen, ergeben sich bei über 100 Dollar je Barrel für den kleinen Mann von selbst genug; genauso volkswirtschaftlich, auch wegen der Mittelabfl üsse ins nicht immer ganz wohlwollend gesinnte liefernde Ausland. Man muss also die Frage stellen, ob mit den neuen Biospritmonokulturen nicht nur wieder Bayer, Monsanto, DuPont und Konsorten, freie Bauern an die Gen-Kandare nehmend oder legend, den großen Reibach machen sollen und nebenher der Innenminister lacht, weil er seinen Überwachungsstaat widerspruchslos ausdehnen kann, während auf der ganzen Welt die Getreideaufstände beginnen. Opas Holz ofen soll verboten werden, Privathubschrauber und -jets natürlich nicht, das träfe nun wirklich die falschen Leute. Kapital ist ja bekanntlich scheuer als ein Rehkitz …

Lautstark wird gefordert, Wissenschaftler, die den menschlichen Einfluss auf das Weltklima skeptisch sehen, auszuschließen

Zu guter Letzt ein Witz am Rande: Die Sonne, die, gemessen an den Treibhausgasen, kaum eine Rolle spielen soll, scheint den Humanklimawandlern boshafterweise ausgerechnet jetzt in ihre schwüle Suppe zu spucken. Sie schwächelte das vergangene Jahr bedenklich, 0,6 bis 0,7 Grad Celsius Temperatursturz wegen mangelnder Sonnenflecken. China erlebte derweil einen Rekordwinter, und in Bagdad und Buenos Aires gab’s Schnee und in Johannesburg Rekordkälte. Die Preise für Weizen und Reis haben sich innerhalb eines Jahres noch einmal mehr als verdoppelt. Einige Regierungen haben bereits Exportbeschränkungen verfügt.

Und nebenher erzählt ein und dasselbe Establishment, welches die Welt mit Kredit- und Derivateirrsinn so treffl ich à la Greenspan bis zum finanziellen Abgrund hin überzog, jetzt in Form eines Al Gore den nächsten Schmonzes – im einzigen Interesse eines kleinen, so fragwürdigen wie selbst ernannten und vielleicht wirklich gefährdeten globalen Geldkontrollclanwesens, welches seit Langem meint, die Menschenschafe seien am besten mittels Verblödung, Verblendung, Verführung, Hunger und Krieg und nicht zuletzt mittels Angst und Schuld am besten zu lenken.

Wie viel Schulden, wie viel Schuld hätten Sie gern?

→ Dieser Beitrag erschien in zeitgeist-Printausgabe 28 (1-2008).


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