Von ROMAN RETZBACH
Immer mehr Menschen, vornehmlich in den westlichen Industrieländern, verlieren die Freude an der Arbeit, rackern sich Tag für Tag ab und können sich trotz Zweit- oder Drittjob nicht wirklich mehr leisten. So flüchten viele vor der Frustration in den Cyberspace: zum Surfen, Chatten, Onlinespielen – oder auch, um per Internet auf Partnersuche zu gehen, ein Segment, das in den letzten Jahren stark angewachsen ist: vom Geschäftskontakt über schnelle Flirts bis hin zur käuflichen Liebe. Immer beliebter ist zudem die Mitwirkung am Aufbau von Wissensdatenbanken, allen voran Wikipedia, oder ganz aktuell das Theseus-Projekt des BMWI, aber auch an engagierten fiktiven Begegnungsstätten wie etwa MySpace. Zwangsläufige Folge der rasanten Entwicklung rund um das WWW ist die Entstehung neuer Berufsbilder: Webdesigner, Webmaster und Webhoster hießen sie gestern noch, heute repräsentieren Crowdsourcer, Blogger und Podcaster die Web-2.x-Generation. Jüngst sind es die Profilnetworker, die von sich reden machen. (…)
Obwohl alles so leichtfüßig wirkt – der Aufwand, mithilfe des Webs Business zu betreiben, ist zum Teil beträchtlich. Eine andere Identität anzunehmen, etwas vorzugaukeln, was man nicht ist, oder einfach nur dicker aufzutragen ist online zwar leicht, aber kann der „schöne Schein“ auch gewahrt bleiben? Die Ernüchterung ist nicht selten groß, wenn die Realität ans Licht kommt. Auch in Kontakt zu bleiben per kostenfreiem Telefonieren („Skypen“), E-Mailing oder gar Videochat scheint in der Cyberwelt einfach – alles ganz locker und unverbindlich. Doch Freundschaften entstehen so nicht, eine echte Beziehung muss auch „offline“ gepflegt werden, tausende (oberflächliche) „Kontakte“ im E-Mail- oder Chatprogramm bedeuten im Grunde nichts. (…)
Das digitale Universum ist schnelllebig: Über top oder Flop wird hier sehr viel schneller entschieden als im realen Leben. Sich selbst im Netz zu vermarkten und kreativ darzustellen ist aber ein wichtiger Trend im Zeichen von Individualisierung und Globalisierung. Internationale Speerspitze bilden derzeit MySpace und YouTube, die vor ein paar Jahren quasi wie aus dem Nichts auf der Weltbühne erschienen. Letzterer der beiden Bigplayer wurde 2006 für die Rekordsumme von umgerechnet 1,31 Milliarden Euro an Google verkauft. Auf beiden Plattformen kann sich der selbst ernannte Künstler ohne Millionenbudget einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Bei vielen Klicks respektive Besuchern steigen auch die Chancen auf eine echte Karriere als Musiker oder Videofilmer – eine vielversprechende Alternative zu den häufig entwürdigenden Castings im TV. (…)
Erfahren Sie mehr über die Möglichkeiten und Grenzen des World Wide Web sowie die Top Ten der Megatrends in West wie Fernost in der Ausgabe 2-2007.