Von Dr. phil. G. ERNST ROLLET und THOMAS RÖTTCHER
Wo können die großen „Wasseraktienpakete“ nach einer spekulativen Phase schließlich landen? Bei Aufkäufern aus den Golfstaaten? Oder bei der „einen“ Weltmacht? Womöglich gar bei Waffenschiebern oder anderen mafiosen Organisationen? Kaum auszudenken, was mit einem (alles andere als neoliberalistischen) Monopol passieren würde, das dem „Shareholder-Value-Ansatz“ unterworfen ist: Es verlangt die stetige Anhebung der Preise und die Herabsetzung der Kosten. (Schon heute ist deutsches Trinkwasser im weltweiten Vergleich das teuerste, wie eine kürzlich durchgeführte Untersuchung einer internationalen Energieberatung offenbarte.) Um den Gewinn kurzfristig zu erhöhen, müssen zwangsläufig die Wartungskosten herabgesetzt, Umwelt- und Gesundheitsstandards (Handelshemmnisse) außer Kraft gesetzt werden. Betriebswirtschaftliche Einsparungen werden mit einem Federstrich auf volkswirtschaftliche Ausgaben umgelenkt. Jetzt gespart, die Zukunft belastet. (...)
Die Veräußerung öffentlichen Eigentums, also des Eigentums aller Bürger, wird zumeist nicht öffentlich vorbereitet und durchgeführt, auch wenn der formale Akt der Entscheidung – als einer unter vielen Tagesordnungspunkten – in einer öffentlichen Ratssitzung stattfindet, wo er in Minuten über die Bühne geht. Was vorentschieden ist, wird durchgewinkt. Die Meldungen an die Presse sind stets so aufgesetzt, dass sie keine Aufmerksamkeit erregen. In einem Stufenplan wird zunächst die Gesellschaftsform geändert. Nach und nach verringert sich dann der Einfluss der Gemeinde (und damit der Bürger). Irgendwann besitzt die Stadt bzw. Gemeinde weniger als 51 % Anteile. Die Würfel sind gefallen: Warum sollte man den Rest noch halten?
So geschehen im Fall der Stadt Stuttgart. Die Schwaben haben bereits im Jahr 2000 „ihr Wasser“ an den dortigen Energieversorger, die EnBW, verkauft. Nicht das Wasser selbst, sondern „lediglich“ die Wasserrechte und das Leitungsnetz, das den Ruf als eines der besten Trinkwassernetze Europas geniest. Und dies, obwohl die Stadtfinanzen – anders als in Berlin oder in vielen Gemeinden Nordrhein-Westfalens – zu jener Zeit noch in Ordnung waren. Über eine halbe Milliarde Euro sprudelte dadurch in die Stuttgarter Stadtkasse. Teile des Aktienpakets schwammen rasch weiter und liegen derzeit in den Händen der französischen Electricité de France (EdF). Die Wassergrundversorgung ist damit in Stuttgart wie auch in vielen anderen Regionen den Schwankungen des Aktienmarktes ausgeliefert.
In ihrer Not versuchen gewiefte Gemeindeväter Wege zu erschließen, „schneller“ und „risikofreier“ an Gelder zu gelangen. Hoch im Kurs stehen derzeit so genannte Cross Border Leasing-Geschäfte (engl., Leasing über die Grenzen hinweg, Abk. CBL). Neben Städten und Gemeinden sind bereits auch Länder, Zweckverbände, kommunale Betriebe und auch Bundesunternehmen CBL-Transaktionen eingegangen. Interessant ist bei weitem nicht nur die kommunale Wasserversorgung und -aufbereitung, sondern jegliche öffentliche Güter ab einem Wert von 150 Mio. Euro. Verleast wurden schon Kliniken, Müllverbrennungsanlagen, Schienennetze, Messehallen oder auch Kanalnetze in 200 deutschen Städten und Gemeinden. Viele weitere Einrichtungen stehen auf der Wunschliste: Hafenbetriebe, Verkehrssignalanlagen, Verwaltungsgebäude, ja sogar Schulen (dabei geht es vor allem um die wertvollen innerstädtischen Grundstücke). Auch in Österreich, der Schweiz oder Frankreich werden eifrig undurchsichtige CBL-Geschäfte abgewickelt. (...)
Weitere Hintergrundinformationen sowie eine geographische Übersicht über die Privatisierung der Wasserversorgung finden Sie in Ausgabe 1-2004.
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