Unter bestimmten Umständen dürfen nicht nur Banken, sondern auch andere Institutionen oder Personen mittels eigener Leistungen Kaufkraft erzeugen: „Komplementärwährung“ lautet hierfür der Fachterminus, die Juristerei verwendet den handlicheren Begriff „Nebengeld“. Beide Bezeichnungen bringen zum Ausdruck, dass der große Euro nicht ersetzt, sondern ergänzt werden soll. Im Gegensatz zur Geldschöpfung mittels Bankkrediten, bei welchen die Leistung erst nach der Geldauszahlung erbracht wird (woraus das bekannte Schuldnerrisiko resultiert), entsteht das Nebengeld während oder nach der Leistungserbringung, und zwar in der Regel dadurch, dass etwas für andere Menschen getan wird; somit haben wir es hier mit einer Art gemeinschaftsstiftendem Geld zu tun.
Gerade im sozialen Bereich gibt es unerledigte Arbeit in Hülle und Fülle, die jedoch zunehmend nicht mehr zu „rentablen“ Preisen finanzierbar ist, ganz besonders im Gemeinwesen. Andererseits verfügt praktisch jeder Mensch, ob jung oder alt, arbeitslos oder Migrant, über Zeit, Know-how oder Talente, die er einbringen kann. So gesehen, haben wir im Grunde nichts weiter als ein Vernetzungsproblem: Leistungsbedürftige und leistungswillige Menschen müssen lediglich zu beiderseitigem Nutzen zusammengeführt werden. Gerade in (Groß-)Städten, wo es selbst zu unmittelbaren Anwohnern kaum Beziehungen gibt, entstanden aus diesem Dilemma heraus vielerorts Tauschringe, um eine Form der Nachbarschaftshilfe zu etablieren (zeitgeist berichtete in Ausgabe 2-2000). (…)
Die größte Komplementärgeld generierende Vereinigung der Welt ist das Schweizer WIR-System. Formal betrachtet, ist es ein Tauschring unter gewerblichen und freiberuflichen Anbietern, Großfirmen sind ausgeschlossen. Gegründet wurde die Wirtschafts ring-Genossenschaft (WIR) 1934, während der letzten Weltwirtschaftskrise, als Selbsthilfemaßnahme Schweizer Geschäftsleute. Die Währung entsteht, indem die WIR-Teilnehmer sich gegenseitig Kredit gewähren bzw. die sogenannte WIR-Bank durch Kreditausgabe neues Geld schafft. Anders als das ähnliche WÄRA-System in Deutschland, wurde das freiwirtschaftliche WIR-Experiment in den 30er-Jahren von den Schweizern nicht verboten, sondern lediglich unter Bankenaufsicht gestellt, obwohl es eigene Geldschöpfung betreibt und damit über ein ähnliches Privileg wie die Schweizer Nationalbank verfügt.
Mehr über den globalen Trend hin zu Ergänzungswährungen erfahren Sie in der aktuellen Ausgabe 1-2007.
LITERATUR: