Neue Achse in Europa: Polen und die USA machen gemeinsame Sache gegen Deutschland und Russland

Von WILLY WIMMER

Es sind die Zwischentöne, die in dem ganzen mediale Getöse des Alltags gerne untergehen oder es erst gar nicht zur echten Schlagzeile schaffen. So etwa die „Randnotiz“ von der dauerhaften Entsendung US-amerikanischer Truppen nach Polen, jüngst ausgehandelt von Präsident Andrzej Duda bei seinem Staatsbesuch in Washington. Doch wie ist diese Entwicklung im geschichtlichen Gesamtzusammenhang zu bewerten? Dazu ein Kommentar unseres Autors Willy Wimmer.

Es war Staatspräsident Macron, der im Juli 2017 den Reigen an Gedenktagen eröffnete, als er mit seinem amerikanischen Staatsgast am Vorabend des französischen Nationalfeiertages das Grabmal von Marschall Foch besuchte. Es war jener Marschall Foch, der nach der Jahrhundertwende mithilfe britischer Kräfte die notwendigen Vorkehrungen getroffen hatte, dem kaiserlichen Deutschland und Österreich-Ungarn über den Ersten Weltkrieg einen dauerhaft vernichtenden Schlag zu erteilen ...

Seither ziehen wieder dunkle Wolken am europäischen Himmel auf. Präsident Macron nimmt das billigend in Kauf, und in Großbritannien scheinen sich über den Brexit wieder jene Kräfte breit zu machen, die morgens, mittags und abends das Lied auf den Lippen haben, nach dem „Britannien die Welt regiert“. Beim jüngsten Besuch des amerikanischen Präsidenten in London wurde das bei BBC in dramatischer Weise klar: Das angelsächsische Welt-Herrschaftsinstrument ist der Vertrag über nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zwischen den USA, Kanada, Großbritannien, Australien und Neuseeland. Darum geht es und außerdem darum, nach dem Brexit das britische Gesundheitssystem auf dem Altar der amerikanisch-britischen Zusammenarbeit zu opfern.

Genauso ins Bild passt, dass einhundert Jahre „Vertrag von Versailles“ im Juni 2019 nirgendwo feierlich begangen werden. Will man sich da aus der Verantwortung stehlen, oder geht es gar darum, jene Agenda behände fortzuführen, die der US-Stratege George Friedman einmal so vollmundig beschrieben hatte: Alles nach Gründung des Deutschen Kaiserreiches 1871 auf dem europäischen Kontinent so anzulegen, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland unmöglich wird?

In Warschau wird ja seit längerem wieder über eine bedeutendere Rolle Polens in der Welt nachgedacht

In diesem Kontext bietet sich, oder soll ich sagen: biedert sich unser direkter östlicher Nachbarn geradezu an: In Warschau wird ja seit längerem wieder über eine bedeutendere Rolle Polens in der Welt nachgedacht. Wie die aussehen könnte, wurde vergangene Woche deutlich: Internationalen Presseberichten zufolge soll der polnische Staatspräsident Duda in Washington doch tatsächlich verlautbart haben, der Mut bei den Polen sei größer sei als der bei den Russen. Was bitte soll das? Die Frage beantwortete sich dann von selbst, und zwar dadurch, dass der amerikanische Gastgeber dem langjährigen Drängen Polens nachgab, dauerhaft Einheiten dort zu stationieren. All das, was anlässlich der deutschen Wiedervereinigung darüber vereinbart worden war, sprich die NATO nicht über die Oder nach Osten auszudehnen und auch keine dauerhafte Stationierung fremder Truppen in den Staaten des früheren Warschauer Paktes vorzunehmen, wird damit endgültig in die Tonne getreten.

Noch ist es nicht soweit, dass Polen an seine Kriegspraxis nach 1918 anknüpft. Auf deutscher Seite muss man sich allerdings die Frage stellen, ob nicht wenigstens in den östlichen Bundesländern, wo das Verständnis für diese Problematik deutlich größer zu sein scheint als im Westen unserer Republik, über die anstehenden Wahlen verhindert werden kann, dass deutsche Autobahnen, Bundesstraßen und Eisenbahnverbindungen für den amerikanischen Aufmarsch über Polen gen Russland genutzt werden können. Auf die amtierende Bundesregierung kann man dabei nicht zählen, ihr kommt eher die Funktion eines Handlangers zu.

Ein weiteres sollte man im Hinterkopf haben, als der polnische Präsident Duda sich die langersehnte Zusage in Washington abholte: Unter der Ägide des heutigen Sicherheitsberaters Präsident Trumps, John Bolton, wurde bereits im April 2000 bei der sogenannten Bratislava-Konferenz, an der ich auch teilnahm, der „große Plan für die Neugestaltung Europas“ hohen Repräsentanten der ost- und mittelosteuropäischen Staaten offengelegt. Die Konsequenz von Bratislava hatte ich in einem Brief an den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder aufgezeigt.

Das Schreiben, erstmals abgedruckt in meinem zusammen mit Wolfgang Effenberger veröffentlichten Buch „Wiederkehr der Hasardeure“, kann hier eingesehen werden:

 

 

 

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