Von THOMAS RÖTTCHER
zeitgeist: Herr Professor Bergmann, eines ihrer Bücher heißt „Neue Arbeit, neue Kultur“. Wie sieht denn ihrer Meinung nach die zukünftige Arbeit aus?
Frithjof Bergmann: Ganz anders als die der Gegenwart. Drei Arten von Arbeit werden zusammenwirken: Die erste ist das „Selbermachen“, natürlich nicht nur Käse und Marmelade wie heute. Szenarios zeigen, dass wir in Hightech-Eigenproduktion bald einen Großteil dessen, was uns das Leben angenehm macht, selbst erzeugen könnten: Elektrizität, Treibstoff, Bücher, ja selbst ein Auto. Rund sechs Stunden wöchentlich wären dafür zu veranschlagen. Als Zweites die Lohnarbeit: Etwa zehn Stunden pro Woche als Zuverdienst werden genügen. Und drittens die eigentliche „Neue Arbeit“, und die meint nicht Arbeit, die man wie eine milde Krankheit erlebt („Es ist ja schon Mittwoch, bis Freitag halt ich es aus“), sondern solche, die etwas bewirkt, auf die man stolz ist, die einen kräftigt und nicht erschöpft, die man aus dem Innersten heraus mit dem nötigen Ernst verrichten will.
zeitgeist: Warum räumen Sie der Arbeit einen so hohen Stellenwert ein?
Bergmann: Weil nichts anderes so viel zur Entfaltung beitragen kann wie eine erfüllende Arbeit – weit mehr als Diäten, Meditieren oder Therapie.
zeitgeist: Welche Auswirkungen hätte diese Entwicklung auf unsere Kultur?
Bergmann: Die Hetze würde aufhören, der Wirtschaftswachstumswahnsinn hielte uns nicht mehr in seinem Bann. Wir hätten Zeit und Energie, Sinnvolles zu tun, etwas, das zur Entwicklung der Menschen beiträgt. Und die Politik käme irgendwann nicht umhin, die wachsende „Do-it-yourself-Economy“ zu unterstützen.
zeitgeist: Welches sind die größten Stolpersteine auf dem Weg dorthin? Trägheit, Bürokratie, Machtstreben …?
Bergmann: Die größte Schwierigkeit liegt darin, das Neue zu erklären, sodass es die Menschen auch verstehen. Doch eines ist sicher: Wir schaffen den Aufstieg nur, wenn alle an einem Strang ziehen.
zeitgeist: Wie stehen Sie zur Idee des Grundeinkommens?
Bergmann: Zwischen dem Grundeinkommen und der Neuen Arbeit gibt es durchaus Gemeinsamkeiten, etwa die Überzeugung, dass die immer weiter aufgehende Schere zwischen Arm und Reich irgendwann zum Kollaps führen wird. Oder die Hoffnung, dass Menschen unter den neuen Vorzeichen kreativer arbeiten könnten. Einen Unterschied sehe ich im Wie: Seit 25 Jahren unterstütze ich nun Menschen darin, in ihrer frei werdenden Zeit etwas Vernünftiges, etwas Aufbauendes zu tun. Das ist eine Riesenaufgabe, Menschen wie Götz Werner übersehen das. Sie meinen, Scheine vom Balkon zu werfen sei schon genug. Doch Geld allein wird nichts verändern.
zeitgeist: Sie sprechen hier von einer Riesenaufgabe. Wie könnte die gelöst werden?
Bergmann: Dazu braucht es eine Fülle an Reformen und fl ankierenden Maßnahmen: ein von Grund auf anderes Schulsystem, Selbsthilfe- und Beratungszentren in der Art, wie ich sie bereits ins Leben gerufen habe, Mentoren und Coachs, die den Einzelnen begleiten, kulturelle und politische Aufklärungskampagnen, um nur einige zu nennen.
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