Kann eine bestimmte Kartoffelsorte den Menschen dazu bringen, sie in seinem Garten anzupflanzen? Der amerikanische Wissenschaftsjournalist Michael Pollan verfolgt in seinem neuen Buch "Die Botanik der Begierde" (Claassen 2002) die schräge These von der erfolgreichen „Koevolution zwischen Pflanzen und Menschen“. Wie Pflanzen die Bienen durch Form, Blüte und Duft verführten, so manipulierten sie auch den Menschen und brächten ihn – wie die bestäubenden Bienen – dazu, so zu handeln, dass es für die Pflanzen von Vorteil ist. Essbare Gräser etwa hätten es geschafft, dass der Mensch ihnen mehr Platz einräumt als anderen Gewächsen. In der Folge verschwanden ganze Wälder zu Gunsten von Mais- und Weizenfeldern. Pflanzen, so die Hypothese Pollans, setzten ihre evolutionären Interessen durch, indem sie die Begierden der Menschen weckten: nach Süße, Sattheit, Rausch und Schönheit. Und ohne dass der Mensch es merkte, hätten sie sogar noch seine Vorlieben geprägt: Blumen wie die Tulpe, im 17. Jahrhundert in Amsterdam zeitweilig mehr wert als Gold, zementierten für Generationen den Begriff von Schönheit; halluzinogene Pflanzen wie Cannabis weckten im Menschen das Bedürfnis nach Rausch. Folgt man den Ideen Pollans, erzählt das Erbgut domestizierter Pflanzen eine Menge darüber, wie sie die Kultur des Menschen beeinflusst haben: Jede Kartoffel „hat in ihrer DNS eine Abhandlung über unsere industrielle Nahrungskette stehen – sowie über unseren Appetit auf lange, makellos goldgelbe Pommes frites“. So seltsam es auch klingen mag: Ohne Zweifel hat Pollan Recht damit, dass vor allem jene Arten besonders erfolgreich sind, die sich gut domestizieren lassen.
(QUELLE: www.spiegel.de)