Tief unter der Oberfläche der Erde verbirgt sich die treibende Kraft der Plattentektonik, jenes Prozesses, der ganze Kontinente wandern lässt, Erdbeben, Vulkanausbrüche und sogar Klimaveränderungen nach sich zieht. Forscher der Universität von Toronto könnten nun die Lösung eines seit langem ungelösten Rätsels gefunden haben, der Frage nach dem Motor dieser Prozesse. Kontinentgroße Ströme geschmolzenen Gesteins spielen dabei eine entscheidende Rolle. Aus den gesammelten Daten vieler geowissenschaftlicher Studien erstellten Alessandro Forte und Jerry Mitrovica ein Modell, das von einem Hitzemotor tief im Inneren der Erde ausgeht: "Wir haben gefunden, dass die Erde von einem Vier-Zylinder-Motor angetrieben wird: zwei gewaltigen kalten absinkenden Krustenplatten und zwei genauso immensen heißen aufsteigenden Plumes", erklärt Forte. "Diese Entdeckung erlaubt es uns endlich, hinter die Kulissen der von der Theorie der Plattentektonik beschriebenen Kontinentbewegungen zu blicken." Die von Alfred Wegener entwickelte Plattentektoniktheorie beschreibt die Zersplitterung der irdischen Kruste in mehrere große Erdplatten, die sich ständig gegeneinander verschieben. Sie kann jedoch nicht zufriedenstellend erklären, wie diese Bewegungen an der Oberfläche mit den Vorgängen im heißen Inneren der Erde zusammenhängen. "Die ersten Hinweise gaben uns die in den 80er Jahren mithilfe von seismischen Wellen erstellten Bilder der internen Struktur der Erde. Wie computertomographische Schnitte des menschlichen Körpers wurde es damit möglich, das Innenleben unseres Planeten zu durchleuchten", beschreibt Mitrovica die Anfänge der Studie. Die Bilder zeigten zwei gewaltige, bogenförmige Regionen tief unter den Rändern des Pazifischen Ozeans, die die Erdbebenwellen schneller durchdringen konnten als die restliche Materie. An zwei Stellen unter Afrika dagegen verlangsamte sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen deutlich. "Diese Aufnahmen des Erdmantels, einer Region unter Erdkruste, die sich dem heißen geschmolzenen Kern der Erde bis auf 3.000 Kilometer annähert, haben die Geologie auf den Kopf gestellt", sagt Forte. Lange Zeit glaubte man, die "langsamen" Regionen seien einfach stagnierende Materialklumpen, die im Prinzip seit der Entstehung der Erde unverändert geblieben sind. Forte und Mitrovica haben nun nachgewiesen, dass diese sich auftürmenden Formationen sich in Wirklichkeit bewegen: Wie Heißluftballons steigen sie in Richtung Erdoberfläche auf. Ihre Ergebnisse beruhen auf einer ganzen Reihe von Beobachtungen und Daten, angefangen von kleinsten Veränderungen in der Erdrotation und dem Magnetfeld der Erde bis hin zu dramatischen Verformungen von Kontinenten. Der interdisziplinäre Ansatz der beiden Forscher wird zur Zeit als das bisher umfassendste Modell zur Geodynamik der Erde angesehen. Es bietet einen Rahmen für die Modellierung und Erklärung von Langzeitveränderungen von Meeresspiegel, Topographie und Klima und könnte sogar dazu dienen, auch die Geodynamik der anderen Planeten unseres Sonnensystems besser zu verstehen. Forte: "Wir haben hier etwas von grandioser Bedeutung und trotzdem symmetrischer Schlichtheit entdeckt." Sein Kollege Mitrovica ergänzt: "Es ist eine gleichzeitig ein Meilenstein auf dem Weg zur Klärung der anhaltenden Debatte, die die Geowissenschaften seit der Plattentektonik-Revolution behindert und gebremst hat."
(QUELLE: www.g-o.de)